Kundgebung und Demonstration zum 40. Jahrestag des antisemitischen Attentats auf Shlomo Lewin und Frida Poeschke

19.12.2020, 17:30 Uhr
Lewin-Poeschke-Anlage Erlangen

Am 19. Dezember 1980 wurden Shlomo Lewin und Frida Poeschke in ihrem Wohnhaus in Erlangen ermordet. Ein Mitglied der neonazistischen Wehrsportgruppe Hoffmann tötete sie aus antisemitischen Motiven. 

Shlomo Lewin (1911) entkam der nationalsozialistischen Verfolgung, kämpfte im israelischen Unabhängigkeitskrieg für die Hagana und lebte nach der Staatsgründung in Israel. Nachdem er 1960 nach Deutschland zurückgekehrt war, war er als Rabbiner und Verleger von Judaica tätig und Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg, sowie der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Frida Poeschke (1928), deren Lebensgefährte Shlomo Lewin in dieser Zeit wurde, engagierte sich gemeinsam mit ihm für christlich-jüdische Verständigung. Immer wieder warnte Shlomo Lewin öffentlich vor der Gefahr, die von Neonazis ausgeht und rief dazu auf, sie zu bekämpfen. Doch diese Warnungen wurden wie viele andere nicht gehört oder nicht ernst genommen. Vielmehr wurde die Wehrsportgruppe Hoffmann von der CSU-Regierung über Jahre hinweg verharmlost und geduldet.

Nach dem Mord an Frida Poeschke und Shlomo Lewin verdächtigten die Ermittlungsbehörden vor allem das persönliche Umfeld der Opfer und ermittelten erst spät ernsthaft in Richtung rechter Strukturen, wie der unweit von Erlangen in Ermreuth ansässigen Wehrsportgruppe Hoffmann. In der Medienberichterstattung wurden die Opfer durch haltlose Gerüchte und eine anklingende Täter-Opfer Umkehr diffamiert und fremd gemacht. Im Gegensatz zu den jüdischen Gemeinden, in denen Entsetzen über die Tat herrschte, gab es in der Mehrheitsgesellschaft keinen Aufschrei und keine Solidarisierung mit den Opfern. Juristisch wurde niemand für die Tat belangt. Der Mörder, der bis heute als Einzeltäter gilt, soll Suizid begangen haben und alle Angeklagten im Strafprozess wurden vom Vorwurf der Beihilfe freigesprochen. Weil kein Gedenken etabliert wurde, aber vor allem, weil keine gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung mit rechtem Terror stattfand gerieten das Attentat, die Opfer und der politische Hintergrund mehr und mehr in Vergessenheit.

Wie auch im Fall anderer rechtsterroristischer Morde im Jahr 1980 – das Oktoberfestattentat in München und der rassistische Brandanschlag in Hamburg, bei dem Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân getötet wurden – erinnert bei dem antisemitischen Attentat auf Shlomo Lewin und Frida Poeschke vieles an den rechten Terror der jüngeren Vergangenheit und der Gegenwart. So wie die Anfänge und Ursprünge des rechten Terrors in Deutschland weit vor 1980 liegen, ist auch seine Kontinuität bis heute nicht gebrochen.  

Dieses Jahr, am 19. Dezember 2020, jährt sich das antisemitische Attentat zum 40. Mal. Zu diesem Anlass findet um 17.30 Uhr eine antifaschistische Gedenkkundgebung an der Lewin-Poeschke-Anlage in Erlangen mit anschließender Demonstration statt. Gemeinsam wollen wir Shlomo Lewin, Frida Poeschke und allen Opfern rechter Gewalt gedenken. Wir wollen daran erinnern, dass es sich bei den unzähligen rechten Morden nicht um Einzelfälle handelt, sondern dass sie Teil einer langen Geschichte rechten Terrors und das Resultat einer rassistischen, antisemitischen Normalität sind.

Nur wenn wir der Entpolitisierung rechter Morde entgegentreten und die Zusammenhänge erkennen und benennen, haben wir dem Fortwirken der Vergangenheit in der Gegenwart etwas entgegenzusetzen. 

Gegen das Vergessen und die Kontinuität des rechten Terrors! 

Für die Gesellschaft der Vielen!